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Stern, Heinrich Aaron (1820-1885)

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Christlicher Bundesbote obituary: 1886 May 1 p. 2

Birth date: 1820

text of obituary:

(Aus dem "Luth. Hausfreund.")
Dr. Heinrich Aaron Stern.

Zu den bedeutendsten Juden-Missionaren, welche die christliche Kirche kennt, gehört ohne Zweifel der besonders durch seine Thätigkeit und seine Leiden in Abessinien bekannt gewordene Dr. H. Stern.

Er wurde am 11. April 1820 in Unterreichenbach bei Gelnhausen im ehemaligen Kurfürstenthum Hessen-Kassel geboren. Seine Eltern waren eifrige Juden und wünschten sehr, daß er sich in einer der wenigen Thätigkeiten, die damals den Juden offen standen, auszeichnen möchte.

Herangewachsen, widmete er sich dem Kaufmannsstande und kam in dieser Eigenschaft 1839 nach London. Hier lud ihn eines Tages ein Freund ein, ihn nach der Kapelle auf "Palestine Place" zu begleiten, wo sie Gelegenheit haben würden, solche zu sehen, die man unter den Juden "Meschummodim" oder Abtrünnige nennt. An diesem Tage leitete den Gottesdienst der bekannte Dr. M'Caul. Der junge Mann aber nahm von allem, was er hörte und sah, einen lebhaften Eindruck mit. Infolgedessen machte er am nächsten Tage einen zweiten Besuch in "Palestine Place" und fand hier Gelegenheit zu einem längeren Gespräche mit dem Missionar Reichhardt, dessen liebevolles Wesen ihn innerlich berührte. Nun wurden die Besuche häufig wiederholt. Der Messias des alten Testaments war stets Gegenstand des Gespräches, und es erschien dem jungen Israeliten als ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß er in London mit dem Christenthum und mit Christen, ohne es beabsichtigt zu haben, in Berührung gekommen war. Er entschloß sich nun, das neue Testament zu lesen. Welchen Eindruck der Inhalt desselben auf ihn machte, beweisen seine eigenen Worte: "Das Buch, welches ich zuerst mit Gleichgültigkeit zu lesen begann, las ich bald mit Aufmerksamkeit. Wenn es einen Erlöser giebt, muß es Jesus sein. Niemand sonst beweist je eine solche Liebe, legte eine so übernatürliche Kraft an den Tag, oder äußerte Worte solcher Weisheit. Ich wünschte sein Jünger zu werden, fürchtete mich aber vor dem Kummer, den die Nachricht hiervon meinen Eltern bereiten würde." Aber die Gnade Gottes leitete und tröstete ihn und so konnte er am 15. März 1840 die Taufe in der Gesellschaftskapelle erhalten, in welcher er zuerst die Botschaft des Evangeliums gehört hatte.

Die Lauterkeit und Einfalt, welche Stern auszeichneten, veranlaßten Reichhardt, ihn nach zwei Jahren zur Aufnahme in das "Hebrew College" zu empfehlen, damit er für den Missionsdienst erzogen werde. 1844 errichtete die Gesellschaft eine Missionsstation in Bagdad unter der Leitung des Rev. Vicars. Stern wurde bestimmt, Vicars nach jener Stadt zu begleiten. Bei ihrem Aufenthalt in Jerusalem wurde Stern von dem dortigen ersten protestantischen Bischof, Alexander, zum Diakon geweiht.

Nun begann die ernste Arbeit des jungen Missionars. Nachdem die Station wohl eingerichtet war, wurden verschiedene Missionsreisen in mehrere Theile derjenigen Gegenden unternommen, in denen sich eine größere Zahl von Juden befinden.—Leider litt Stern's Gesundheit unter den beständigen Strapazen; so erhielt er die Anweisung, für einige Zeit nach England zurückzukehren. Hier wurde er durch den Bischof von London zum Priester geweiht.

Nach einiger Zeit kehrte er nach Bagdad zurück. Während der folgenden Zeit drang der thätige Missionar in manche Gegenden des Landes ein, in denen die Juden eltren [sic] oder nie besucht worden waren.—

Man hielt es jetzt für vortheilhaft, Stern nach Konstantinopel zu versetzen; seine Erfahrungen machten ihn für den Verkehr mit der zahlreichen jüdischen Bevölkerung der Stadt besonders geeignet. Von diesem wichtigen Mittelpunkte aus waren auch Missionsreisen unter den Juden der europäischen Türkei verhältnißmäßig leicht zu unternehmen. Hier erreichten ihn auch Nachrichten von Juden aus andern, weniger besuchten Ländern. Einige dieser Nachrichten bezogen sich auf das glückliche Arabien, von welchem man vernahm, daß dort beträchtliche Judengemeinden wohnten, die sich unter dem tyrannischen Joch ihrer muhamedanischen Herrn beugen mußten, deren Herzen nach Mitleid und Freundlichkeit schmachteten. Mit Bewilligung des Comites beschloß Stern, wenn es möglich wäre, in diese Gegenden einzudringen, um das Evangelium zu verkündigen.

In Konstantinopel und bei seiner Ankunft in Hodeida am Rothen Meere hörte er genug, was sich auch später zeigte, daß sein Unternehmen voller Gefahren und die Erhaltung seines Lebens bei demselben mehr als zweifelhaft sei. Aber nichts beunruhigte ihn.

Wie ein Eingeborner gekleidet, barfuß oder in Sandalen in die Berge wandelnd, erklärte er den Juden und Muhamedanern, daß er nur eine Mission hätte, nämlich das Evangelium zu verkündigen. Der Verkauf heiliger Schriften an die Juden, die Aufmerksamkeit, mit der sie ihm zuhörten, ihre Worte der Dankbarkeit waren ihm ein reicher Lohn für alle seine Mühe und Entbehrungen. Sein Leben aber war in beständiger Gefahr; nur durch die göttliche Vorsehung wurde er aus den Händen von Räubern befreit, die ihn tödten wollten.

Zu den von Stern ausgeführten Missionsreisen gehört auch eine nach der Krim, welche er fast unmittelbar nach dem schrecklichen Kriege daselbst unternahm. 1859 brach er mit einigen Mitarbeitern von Konstantinopel nach Abessinien auf, um dem Wunsche des Comites gemäß das Evangelium den Falascha-Juden zu bringen. Fünf Monate fuhren sie den Nil hinauf, reisten durch den Sudan, bis sie endlich die Grenzen von Abessinien erreichten. Hier 18 Monate wirkend, führte er ein Werk aus, das reiche, gesegnete Früchte trug. Die Festigkeit, das gesunde Urtheil und die Frömmigkeit des Missionars entwaffneten die Vorurtheile und brachten den Widerstand zum Weichen. So führte Stern mit Erfolg und Segen seine Arbeit aus, mit der er betraut worden war. Von allen Seiten her empfing er ein herzliches Willkommen, seine Anweisungen wurden willig an genommen, und nun war er im Begriffe nach Hause zu gehen. — Aber in der politischen Atmosphäre bereitete sich ein Sturm vor, von dem Niemand Ahnung hatte. Der König von Abessinien hatte sich vergeblich bemüht, mit England in diplomatische Beziehungen zu treten. Als Stern bei seiner Rückkehr nach Hause das königl. Lager durchschritt, wollte er dem Könige nach der Sitte des Landes seine Ehrerbietung erweisen. Der Monarch war aber dieser Zeit über die Nichtachtung der britischen Regierung voll Wuth und ließ Stern sowie die andern Missionare mit Einschluß des britischen Consuls einkerkern. Die Gefangenschaft begann am 13. Oktober 1863 und endete erst am 11. April 1868. Hart war das Los der Gefangenen gewesen; nur die Treue und Allmacht des Bundesgottes erhielten sie während dieser Leidensjahre. Die Briefe welche sich während dieser Zeit nach England gesandt hatten, athmeten den Geist des Glaubens, stiller Ergebung und gewissen Vertrauens auf Gott. Es gab eine große Zahl betender Christen unter denen, welche das Heer bildeten, das ihnen unter der Leitung des Lord Napier zu Hilfe eilte.

Der Willkommensgruß, der ihrer in England wartete, gestaltete sich zu einer heiligen Ovation. Die eiserne Constitution und die enthaltsame Lebensweise Stern's hatten ihn mit Gottes Schutz vor dem Grabe bewahrt; jedoch war ein späteres, häufiges Kränkeln die Folge dieser Leiden. Aber das hielt ihn nicht auf. Von Ort zu Ort ging er im Interesse der Gesellschaft und erzählte die Geschichte dieser Jahre, wobei dichtgedrängte Zuhörerschaaren seinen Berichten lauschten.

Bei Gelegenheit wurde dem Erzbischof von Canterbury eine Andeutung gemacht, daß es ein wohlverdientes Anerkennungszeichen sein würde, wenn dem ausgezeichneten Missionar die Würde eines Doktors der Theologie ertheilt würde. Dieser Andeutung kam der Erzbischof bereitwillig nach.

1870 wurde er zum Leiter der Londoner "Home Mission" ernannt, aber das Comite fand es bald darauf für gut, ihm dieses Amt wieder abzunehmen. Dieser Undank für die Dienstleistungen des trefflichen, im Missionswerke ergrauten Missionars rächte sich schwer. Die lokale "Home Mission" der englischen Kirche wollte in andere Hände gar nicht gedeihen und wurde von der britischen Missions-Gesellschaft, die nur über wenige Mittel zu verfügen hat, weit überflügelt. Zu spät sah das Comite seinen Fehler ein. — Was frommte es, daß er einige Monate vor seinem Tode zum Ehrenmitgliede des Comites ernannt wurde; er war doch gezwungen, gegen seine bessere Ueberzeugung, seine Stimme abzugeben.

Auch sein Lebensende nahte heran. Bei dem letzten Jahresfest in Exeter Hall wurde seine Abwesenheit von der Meeting in Folge Krankheit besonders bemerkt. Nach vielen Leiden ging er am 13. Mai '85 zu seiner himmlischen Ruhe ein. Für keinen war der Text seiner Leichenrede geeigneter als für diesen bewährten Mann: 2 Timotheus 4, 7. 8.

Anmerkung des Unterzeichneten: — Sehr schmerzlich bin ich auch von dem Ableben meines frühreren Lehrers berührt worden, um so mehr, als dieser mir ein Schreiben nach Amerika nachsenden wollte, was aber der unerbittliche Tod verhinderte.

S. D. Berger, Judenmissionar.
435 Nord Ashland Ave., Chicago, Ill.

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