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Leisy, Elisabeth Gramm (d. 1883)

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Und dieser Schnitter Tod ist gar unbarmherzig! Wo er auf Gottes Geheiß in ein Haus einkehren darf, da schont er weder Mann noch Frau, weder Kind noch Greis; er achtet nicht auf die zärtesten Familienbande noch auf den Jammer und Kummer den er macht, er erfüllt seine Aufgabe mit unerbittlicher Nachsicht, oft langsam, oft rasch, geht dann weiter und überläßt die Betrübten ihrem Schicksal: So hat er auch Euch gethan, gel. Leidtragende — die theure Mutter mit ihrem Herzen voll Liebe und Besorgniß um Euch, mit ihrem freundlichen Wort und guten Rath hat er Euch entrückt. Und wie er überall unbarmherzig ist, so war ers auch gegen Euch und hat Eure Herzen mit Leid und Eure Augen mit Thränen gefüllt. Und dies ist die finstere Seite des Todes, der uns einen Leichnam zurückläßt mit eingefallenen Augen, mit geschlossenen Lippen, mit starren Händen, mit marmornem Angesicht, eingehüllt in eisiges Schweigen; und er verpflichtet uns zu dem was wir bereits gethan haben: der Erde zu übergeben was wieder zu Erde werden soll, und zwingt uns schmerzerfüllt von dem Grabe umzukehren mit der Erinnerung an das ernste Wort der h. Schrift: "Der Tod ist der Sünde Sold." Das Alles muß uns in Trauer versetzen, muß uns wehe thun, muß uns die Armseligkeit und Hinfälligkeit dieses Lebens bitter fühlen lassen.
 
Und dieser Schnitter Tod ist gar unbarmherzig! Wo er auf Gottes Geheiß in ein Haus einkehren darf, da schont er weder Mann noch Frau, weder Kind noch Greis; er achtet nicht auf die zärtesten Familienbande noch auf den Jammer und Kummer den er macht, er erfüllt seine Aufgabe mit unerbittlicher Nachsicht, oft langsam, oft rasch, geht dann weiter und überläßt die Betrübten ihrem Schicksal: So hat er auch Euch gethan, gel. Leidtragende — die theure Mutter mit ihrem Herzen voll Liebe und Besorgniß um Euch, mit ihrem freundlichen Wort und guten Rath hat er Euch entrückt. Und wie er überall unbarmherzig ist, so war ers auch gegen Euch und hat Eure Herzen mit Leid und Eure Augen mit Thränen gefüllt. Und dies ist die finstere Seite des Todes, der uns einen Leichnam zurückläßt mit eingefallenen Augen, mit geschlossenen Lippen, mit starren Händen, mit marmornem Angesicht, eingehüllt in eisiges Schweigen; und er verpflichtet uns zu dem was wir bereits gethan haben: der Erde zu übergeben was wieder zu Erde werden soll, und zwingt uns schmerzerfüllt von dem Grabe umzukehren mit der Erinnerung an das ernste Wort der h. Schrift: "Der Tod ist der Sünde Sold." Das Alles muß uns in Trauer versetzen, muß uns wehe thun, muß uns die Armseligkeit und Hinfälligkeit dieses Lebens bitter fühlen lassen.
   
Gleichwohl, der Tod hat auch eine lichte Seite: der Apostel Paulus zeigt sie uns in seinem bekannten Worte: "Christus ist mein Leben und Sterben mein Gewinn!"
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Gleichwohl, der Tod hat auch eine lichte Seite: der Apostel Paulus zeigt sie uns in seinem bekannten Worte: "Christus ist mein Leben und Sterben mein Gewinn!" Und Paul Gerhard sagt, der fromme Liederdichter kennt sie auch wenn er sagt:
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Kann uns doch der Tod nicht t&ouml;dten<br />
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Sondern rei&szlig;t &#151; Unsern Geist<br />
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Aus viel tausend N&ouml;then;<br />
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Schlie&szlig;t das Thor der bittern Leiden,<br />
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Und macht Bahn &#151; da man kann<br />
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Geh'n zu des Himmels Freuden.
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Und Gott sei Dank, auch unsre heimgegangene Schwester hat diese lichte Seite des Todes gekannt, und sich damit getr&ouml;stet; getr&ouml;stret nicht nur in den letzten Stunden vor ihrem Ende, sondern ihr Leben hindurch immer. Und das dient auch uns zum Trost. Sie selbst soll darum aus unserm Texte das rechte Trostwort zu uns reden:
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"Haltet mich nicht auf, denn der Herr hat Gnade zu meiner Reise gegeben. Lasset mich ziehen, da&szlig; ich zu meinem Herrn komme!"
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Meine Freunde! liegt nicht das rechte Geheimni&szlig; des Lebens darin, da&szlig; wir mit geistge&ouml;ffnetem Blick stets auf das Ende &#151; auf das Ziel &#151; schauen; und da&szlig; wir bei solch Vorw&auml;rts-Schauen unser Leben als eine Pilgerfahrt erkennen die dem ewigen Ruheort, der Heimath droben im Vaterhause zugewendet ist: "Wir haben hier keine bleibende St&auml;tte, sonder die zuk&uuml;nftige such wir." Niemand kann sich dessen verschlie&szlig;en, da&szlig; wir sterben m&uuml;ssen. Aber es ist ein Unterschied wie wir leben, wie wir uns auf das Ende schicken.
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Revision as of 17:07, 28 February 2009

Christlicher Bundesbote obituary: 1883 Apr 1 p. 50

Birth date:

text of obituary:

Für den "Bundesboten" eingesandt.
Leichenrede
über 1. Mos. 24, 56.
bei der Beerdigung der Frau Elisabeth Leisy, geb.
Gramm, Wittwe von Joh. Leisy zu Friedelsheim,
Rheinpfalz, Europa, am 28.
Januar 1883.

Geliebte Leidtragende!

Es ist ein Schnitter, her heißt Tod.
Und hat Gewalt vom höchsten Gott!

Und dieser Schnitter Tod ist gar unbarmherzig! Wo er auf Gottes Geheiß in ein Haus einkehren darf, da schont er weder Mann noch Frau, weder Kind noch Greis; er achtet nicht auf die zärtesten Familienbande noch auf den Jammer und Kummer den er macht, er erfüllt seine Aufgabe mit unerbittlicher Nachsicht, oft langsam, oft rasch, geht dann weiter und überläßt die Betrübten ihrem Schicksal: So hat er auch Euch gethan, gel. Leidtragende — die theure Mutter mit ihrem Herzen voll Liebe und Besorgniß um Euch, mit ihrem freundlichen Wort und guten Rath hat er Euch entrückt. Und wie er überall unbarmherzig ist, so war ers auch gegen Euch und hat Eure Herzen mit Leid und Eure Augen mit Thränen gefüllt. Und dies ist die finstere Seite des Todes, der uns einen Leichnam zurückläßt mit eingefallenen Augen, mit geschlossenen Lippen, mit starren Händen, mit marmornem Angesicht, eingehüllt in eisiges Schweigen; und er verpflichtet uns zu dem was wir bereits gethan haben: der Erde zu übergeben was wieder zu Erde werden soll, und zwingt uns schmerzerfüllt von dem Grabe umzukehren mit der Erinnerung an das ernste Wort der h. Schrift: "Der Tod ist der Sünde Sold." Das Alles muß uns in Trauer versetzen, muß uns wehe thun, muß uns die Armseligkeit und Hinfälligkeit dieses Lebens bitter fühlen lassen.

Gleichwohl, der Tod hat auch eine lichte Seite: der Apostel Paulus zeigt sie uns in seinem bekannten Worte: "Christus ist mein Leben und Sterben mein Gewinn!" Und Paul Gerhard sagt, der fromme Liederdichter kennt sie auch wenn er sagt:

Kann uns doch der Tod nicht tödten
Sondern reißt — Unsern Geist
Aus viel tausend Nöthen;
Schließt das Thor der bittern Leiden,
Und macht Bahn — da man kann
Geh'n zu des Himmels Freuden.

Und Gott sei Dank, auch unsre heimgegangene Schwester hat diese lichte Seite des Todes gekannt, und sich damit getröstet; getröstret nicht nur in den letzten Stunden vor ihrem Ende, sondern ihr Leben hindurch immer. Und das dient auch uns zum Trost. Sie selbst soll darum aus unserm Texte das rechte Trostwort zu uns reden:

"Haltet mich nicht auf, denn der Herr hat Gnade zu meiner Reise gegeben. Lasset mich ziehen, daß ich zu meinem Herrn komme!"

Meine Freunde! liegt nicht das rechte Geheimniß des Lebens darin, daß wir mit geistgeöffnetem Blick stets auf das Ende — auf das Ziel — schauen; und daß wir bei solch Vorwärts-Schauen unser Leben als eine Pilgerfahrt erkennen die dem ewigen Ruheort, der Heimath droben im Vaterhause zugewendet ist: "Wir haben hier keine bleibende Stätte, sonder die zukünftige such wir." Niemand kann sich dessen verschließen, daß wir sterben müssen. Aber es ist ein Unterschied wie wir leben, wie wir uns auf das Ende schicken.

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