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Thiessen, Helene Fast (1911-2003)
Der Bote obituary: 2004 Feb 4 p. 21
Birth date: 1911 Oct 22
Text of obituary:
Helene Thiessen
1911 - 2003
Leamington, Ontario
Gestorben: 27. November 2003
Gedächtnisfeier: im Altenheim am 1. Dezember 2003. Leiter: Kaplan C. Driedger.
Begräbnisfeier: in der Oak-Street-Kirche am 1. Dezember 2003
Amtierender Pastor: Darrell Fast
Bestattung: auf dem Evergreen-Friedhof
Lebenslauf
Ich, Helene Thiessen, bin am 22. Oktober 1911 in Blumenort, Molotschna, geboren. Meine Eltern waren Abram Fast und Anna, geborene Becker. Meine Kindheit und Jugendjahre verlebte ich in Tiege, Orloff. In meiner Erinnerung war es trotz der schlimmen Zeit, die ich dort erlebte, der schönste Ort auf Gottes Erde. Als ich 18 Jahre alt war, wurde ich von Ält. Peter Nickel getauft.
Mein Vater war Zahnarzt. Er erfuhr 1929, daß sein Name auf der kommunistischen "Todesliste" stand. Es gelang ihm, nach Berlin zu flüchten und dort eine Exportfirma zu gründen. Erst drei Jahre später konnte die Familie ebenfalls fliehen.
In Berlin lernte ich Willy Thiessen kennen und wir heirateten 1932. Zwei grückliche Jahre waren uns beschieden. Dann mußte Willy zum Militär. Unser Sohn Helmut wurde 1940 in Berlin geboren.
Im Frühling 1943 wurde Berlin schwer bombardiert. Als unser Nachbarhaus getroffen wurde, starben alle 90 Bewohner. Der Bombenangriff von 1600 Flugzeugen am 22. November 1943 verwandelte Berlin in einen Schutthaufen. Feuerstürme rasten durch die Stadt. Die Hitze machte den Straßenbelag zu einem zähen Brei. 23.000 Menschen (fast alles Kinder und Frauen) starben. In unserer Gegend stand nur noch das Haus, in dem wir wohnten, weil die Bombe, die es getroffen hatte, nicht explodiert war. Meinem tapferen Mann, der gerade auf Urlaub war, gelang es, die Bombe zu entschärfen. Als Resultat erblindete er für eine kurze Zeit und wurde später mit der Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet. Es war ein Wunder, daß wir auch dieses Mal bewahrt wurden.
Doch der Krieg wütete weiter. Im Januar 1945 kam die Front so nahe, daß auch wir fliehen mußten. Innerhalb einer halben Stunde mußten wir fertig sein. Das Dorf, in welchem wir uns versammeln sollten, stand in Flammen. Über uns flogen beständig russische Flugzeuge und beschossen alles, was sich bewegte. Wir ahnten, daß keine Autobusse für uns zur Verfügung stehen würden. Da erbarmte sich ein deutscher Offizier und erlaubte zwei Lastwagen der deutschen Armee, alle aufzunehmen, die innerhalb von zwei Minuten einsteigen konnten. Sämtliches Gepäck mußte zurückbleiben. Aber meine Familie, meine Schwester und ihre beiden Kinder sowie Helmut und ich wurden gerettet.
Als wir den Bahnhof erreichten, ging die Sorge weiter. Wer konnte mit dem Zug mit? Menschen hingen auf den Trittbrettern und standen zusammengepfercht in den Waggons. Niemand wußte, wohin her Zug fuhr. Nur fort, war unsere Devise. Nach acht Tagen erreichten wir Gustrow und wurden in verlassenen Häusern untergebracht.
Es dauerte jedoch nicht lange und die russische Armee erreichte den Ort. Uns wurden Uhren und Ringe fortgenommen. Betrunkene Soldaten kamen jeden Abend und suchten sich Frauen und Mädchen. Sogar in Altenheimen und Krankenhäusern waren weibliche Personen nicht sicher.
Nur eine Flucht in die Amerikanische Zone konnte uns Erleichterung bringen. Meinem Vater gelang die Flucht und er half auch uns hinüber. In der Amerikanische Zone trafen wir den damaligen MCC-Direktor, Peter und Elfriede Dyck. In ihrem Buch "Up From the Rubble" beschrieben sie die Geschichte von 1200 mennonitischen Flüchtlingen, die heimlich mit einem Güterzug gen Westen fuhren . . . Es war wie in grauen Zeiten, als die Juden durch das Rote Meer zogen und alle Wasser wichen. Sobald sich die Türen der Güterwaggons in der Westzone öffneten, stimmten wir das Lied "Nun danket alle Gott" an.
Wir wurden sofort auf das Schiff "Volendam" gebracht und traten die Reise nach Paraguay an. Kurz ehe wir auf dem Schiff eintrafen, war mein Mann dort gewesen. Als ihm jedoch erzählt wurde, daß der Zug nicht durchkommen würde, verließ er das Schiff wieder und kam nicht rechtzeitig zurück. Das war schwer für mich, hatte ich ihn doch drei Jahre nicht gesehen. Sechs Monate später konnte er zu unserer großen Freude nachkommen. In Paraguay war zu der Zeit Revolution und Krieg. So mußten wir die ersten drei Monate in Zelten wohnen. Danach leisteten wir vier Monate Pionierarbeit.
1951 wanderten wir nach Kanada aus. Als wir in Montreal landten, wurden wir verhaftet. Man hatte uns mit einer Gruppe Mormonen verwechselt, die mit gefälschten Pässen einreisen wollten. Nach drei Tagen Haft durften wir unserer Reise nach Leamington fortsetzen. Hier angekommen, wurden wir in die mennonitische Gemeinde aufgenommen. Wir waren glücklich und dankbar.
Willy und ich bekamen Arbeit in der H. J. Heinz-Fabrik. Willy arbeitete bis zu seiner Pensionierung. Ich mußte gesundheitshalber aufhören, fing aber an zu malen und hatte viel Freude an meinem Hobby.
Durch Gottes Gnade konnten wir unsere Goldene Hochzeit feiern. Im selben Jahr erlitt Willy einen Schlaganfall und wurde ein Pflegefall. Er kam in das Mennonitische Altenheim, wo er am 28. April 2000 starb.
Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit ihm und allen meinen Lieben in Gottes Herrlichkeit.
Bis hierher hatte unsere Oma selbst geschrieben.
Oma verbrachte das letzte Jahr ihres Lebens im Mennonitischen Altenheim hier in Leamington. Sie starb am 27. November 2003 in Leamington. Sie hinterläßt: Sohn Helmut und Frau Irene; Enkel Randy und Frau Darlene; zwei Enkel; zwei Schwestern: Anna Hildebrand und Elfriede Bergen, BC; Bruder Alfred in Paraguay.
Im Tode voran gingen ihre Eltern, ihr Gatte Willy, zwei Brüder: Peter und David.
Ruhe sanft, liebe Oma!
Deine liebende Familie
Übersetzt und eingesandt von Hildegard Fiss