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Leisy, Elisabeth Gramm (d. 1883)
Christlicher Bundesbote obituary: 1883 Apr 1 p. 50
Birth date:
text of obituary:
Für den "Bundesboten" eingesandt.
Leichenrede
über 1. Mos. 24, 56.
bei der Beerdigung der Frau Elisabeth Leisy, geb.
Gramm, Wittwe von Joh. Leisy zu Friedelsheim,
Rheinpfalz, Europa, am 28.
Januar 1883.
Geliebte Leidtragende!
Es ist ein Schnitter, der heißt Tod.
Und hat Gewalt vom höchsten Gott!
Und dieser Schnitter Tod ist gar unbarmherzig! Wo er auf Gottes Geheiß in ein Haus einkehren darf, da schont er weder Mann noch Frau, weder Kind noch Greis; er achtet nicht auf die zärtesten Familienbande noch auf den Jammer und Kummer den er macht, er erfüllt seine Aufgabe mit unerbittlicher Nachsicht, oft langsam, oft rasch, geht dann weiter und überläßt die Betrübten ihrem Schicksal: So hat er auch Euch gethan, gel. Leidtragende — die theure Mutter mit ihrem Herzen voll Liebe und Besorgniß um Euch, mit ihrem freundlichen Wort und guten Rath hat er Euch entrückt. Und wie er überall unbarmherzig ist, so war ers auch gegen Euch und hat Eure Herzen mit Leid und Eure Augen mit Thränen gefüllt. Und dies ist die finstere Seite des Todes, der uns einen Leichnam zurückläßt mit eingefallenen Augen, mit geschlossenen Lippen, mit starren Händen, mit marmornem Angesicht, eingehüllt in eisiges Schweigen; und er verpflichtet uns zu dem was wir bereits gethan haben: der Erde zu übergeben was wieder zu Erde werden soll, und zwingt uns schmerzerfüllt von dem Grabe umzukehren mit der Erinnerung an das ernste Wort der h. Schrift: "Der Tod ist der Sünde Sold." Das Alles muß uns in Trauer versetzen, muß uns wehe thun, muß uns die Armseligkeit und Hinfälligkeit dieses Lebens bitter fühlen lassen.
Gleichwohl, der Tod hat auch eine lichte Seite: der Apostel Paulus zeigt sie uns in seinem bekannten Worte: "Christus ist mein Leben und Sterben mein Gewinn!" Und Paul Gerhard sagt, der fromme Liederdichter kennt sie auch wenn er sagt:
Kann uns doch der Tod nicht tödten
Sondern reißt — Unsern Geist
Aus viel tausend Nöthen;
Schließt das Thor der bittern Leiden,
Und macht Bahn — da man kann
Geh'n zu des Himmels Freuden.
Und Gott sei Dank, auch unsre heimgegangene Schwester hat diese lichte Seite des Todes gekannt, und sich damit getröstet; getröstret nicht nur in den letzten Stunden vor ihrem Ende, sondern ihr Leben hindurch immer. Und das dient auch uns zum Trost. Sie selbst soll darum aus unserm Texte das rechte Trostwort zu uns reden:
"Haltet mich nicht auf, denn der Herr hat Gnade zu meiner Reise gegeben. Lasset mich ziehen, daß ich zu meinem Herrn komme!"
Meine Freunde! liegt nicht das rechte Geheimniß des Lebens darin, daß wir mit geistgeöffnetem Blick stets auf das Ende — auf das Ziel — schauen; und daß wir bei solch Vorwärts-Schauen unser Leben als eine Pilgerfahrt erkennen die dem ewigen Ruheort, der Heimath droben im Vaterhause zugewendet ist: "Wir haben hier keine bleibende Stätte, sondern die zukünftige suchen wir." Niemand kann sich dessen verschließen, daß wir sterben müssen. Aber es ist ein Unterschied wie wir leben, wie wir uns auf das Ende schicken.
Unsre Mitschwester fühlte sich hienieden eine Pilgerin, die mit dem Apostel dachte: "Wir leben hier im Glauben und nicht im Schauen. Darum fleißigen wir uns auch, wir seien daheim, oder wir wallen, daß mir Ihm wohlgefallen mögen." (2. Kor. 5, 7. 9.) Sie war keine laute Pilgerin sondern eine stille. Wer, der sie kannte, und mit ihr vertraut wurde, fühlte beim Umgang mit ihr nicht etwas von diesem stillen Pilgersinn, welcher aus ihrem Wort und Wesen durchleuchtete, und ihr eine wohlthuende Ruhe und Sicherheit gab. Wer merkte es nicht daß sie bei aller Emsigkeit im Irdischen doch an das Ewige dachte und nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit trachtete. Und hat sie es auch nicht in Worte eingekleidet es war dennoch ihr Sinn: "Haltet mich nicht auf, denn der Herr hat Gnade gegeben zu meiner Reise." Ja, wir wollen sie ziehen lassen mit den Segenswünschen unsrer Liebe, denn hinter ihr liegt eine schöne Wallfahrt, und vor ihr eine noch viel schönere Heimath. Der Herr hat Gnade gegeben zu ihrer Reise.
Ein flüchtiger Blick auf ihren Lebensgang zeigt uns das ja deutlich.
War's nicht Gnade von oben, daß sie schon im Elternhaus von Jugend auf zur Gottesfurcht erzogen wurde? Nicht Gnade daß sie gesund sein durfte, und andern dienen konnte anstatt sich dienten zu lassen? War's nicht Gnade unter besondern Verhältnissen eine gute und glückliche Ehe führen zu dürfen? Nicht Gnade, an der Erziehung und Versorgung ihrer Kinder mit mütterlicher Liebe und Treue mitarbeiten zu können? Nicht Gnade zu wissen, daß ihr Wittwenhaus am besten gegründet ist auf Christum, den Felsen, und auch vermochte es im Glauben auf Ihn zu bauen? War's nicht Gnade, sich an dem Wohlergehen ihrer Kinder, besonders auch derer jenseits des Wassers, erfreuen zu dürfen? War's nicht Gnade, bei langem Leben die göttliche Durchhilfe oft erfahren zu dürfen, und eine lange Vorbereitungszeit auf die Ewigkeit zu genießen? Nicht Gnade sich für den Abend des Lebens so wohl versorgt zu wissen und treue kindliche Pflege genießen zu dürfen? Das Alles ist Grund genug am Ziel einer solchen Wallfahrt des Wortes zu gedenken: "Haltet mich nicht auf, denn der Herr hat Gnade gegeben." Und es ist in der That etwas Großes von der göttlichen Gnade zu wissen, dieselbe mit Bewußtsein erfahren zu haben und sich von ihr getragen zu fühlen durchs Leben hindurch: ist's ja doch in der That wie der fromme Sänger sagt:
Auf Gnade darf man trauen
Man traut ihr ohne Reu,
Und wenn's uns je will grauen
So bleibt's; der Herr ist treu.
Ein solches Wissen von der Gnade und ein Erleben derselben macht aber auch die Sehnsucht lebendig nach Dem, der Gnade gegeben hat:
"Lasset mich ziehen, daß ich zu meinem Herrn komme."
Gel. Fr.: Wenige Stunden vor ihrem Heimgang stand ich an ihrem Bette, und da hat sie es ausgesprochen:
Ihm hab ich mich ergeben
Zu streben und zu leben,
So wie Er mir's gebeut.
Er sei heut oder morgen
Dafür laß ich Ihn sorgen,
Es weiß die beste Stund und Zeit.
Wenn's an's Sterben geht da ändern sich bei Manchen die Anschauung an und Stimmungen; da kann nicht jedes einem Ruf von oben freudig folgen, nicht jedes mit getrostem Herzen sprechen: "Ihm hab ich mich ergeben," u. s. w. Dazu muß man die Gewißheit im Herzen tragen, daß man bei dem Herrn in Gnaden steht, und durch das Blut seines Sohnes Vergebung gefunden hat, und versöhnt ist mit Gott.
"Lasset mich ziehen, daß ich zu meinem Herrn komme" — zu dem Herrn der mich Gott erkaufte durch sein Blut, — der mein Heiland ist. Zu dem Herrn, der die Pfunde nach seinem Wohlgefassen austheilt, aber jedem zuruft: Thue Rechnung von deinem Haushalt! Zu dem Herrn, vor dessen heiligen Augen wir allesammt des Ruhmes mangeln und große Schuldner sind, der aber um seines lieben Sohnes willen Gnade für Recht ergeben lassen will dem, den er treu erfunden hat.
Zu dem Herrn, der hienieden einen jeden, nicht nur einmal sondern wie vielmal schon, zu dem großen Gastmahl im Himmel hat laden lassen, der aber auch verlangt, daß wir im rechten hochzeitlichen Kleide dazu erscheinen. Zu dem Herrn, der uns von Mutterleib und Kindesbeinen an, unzählig viel zu gut bis hieher hat gethan, der aber auch will, daß wir mit kindlichem Herzen zu ihm sprechen können: Abba, lieber Vater!
Er, der Herr, höre es, wenn wir seine Gnaden preisen; höre es, wenn wir demüthig bekennen. Er hat Gnade gegeben zu der irdischen Wallfahrt unsrer vollendeten Schwester! Dank sei Ihm dafür. Dank und Preis auch für ihre sanfte Auflösung von dem Leibe dieses Todes. Er wird ihr auch ein freundlicher Heiland sein in Ewigkeit; deß trösten wir uns im Glauben an seine Liebe und Barmherzigkeit.
Er wolle Gnade geben auch ihren trauernden Kindern u. Anverwandten; Gnaden auch denen im fernen Lande, die nicht mit uns ihr die letzte Ehre erweisen konnten. Gnade, daß ihr Muttersegen auf allen ruhe, uns die das Beste immer mehr erreichen, nämlich zu wachsen in der Gnade und Erkenntniß Jesu Christi, damit auch sie am Ende ihres Lebens preisend und dankend rühmen können: "Haltet, mich nicht auf denn der Herr hat Gnade gegeben zu meiner Reise. Lasset mich ziehen, daß ich zu meinem Herrn komme.
Amen.
J. Ellenberger