Galicia article in Mennonite Encyclopedia
For German article from Mennonitisches Lexikon see below.
Scanned from microfilm at the MLA (microfilm CHR 46). Filmed in 1982 in Germany. LDS film #1270434. The originals may be at Weierhof.
Includes:
If you notice any unreadable pages or bad links, please let us know and we can rescan.
Galizien. In Galizien, das vor dem Weltkrieg zu Österreich-Ungarn gehörte, nun aber einen Bestandteil des neu errichteten Polenreiches bildet, siedelten sich mennonitische Kolonisten in der Gegend von Lemberg (s. d.) an, als Kaiser Joseph II. in dem Kolonistenpatent vom 17. September 1781 zur Kolonisation aufforderte. Etwa 3300 deutsche Familien ließen sich damals in Galizien nieder. Unter ihnen befanden sich 28 mennonitische Familien.*) Sie stammten größtenteils aus der damaligen Kurpfalz. Im ältesten Gemeindebuch heißt es, sie seien "aus verschiedenen Teilen des Deutschen Reiches, aus der Schweiz abstammend". Sie hatten 1784 ihren Wohnsitz in den drei neu angelegten, einander benachbarten Gemeinden Einsiedel (18), Falkenstein (7) und Rosenberg (3 Familien). Alle drei Orte liegen in der Herrschaft Szczerzec ungefähr drei Meilen südwestlich vom Lemberg.
Diesen mennonitischen Kolonisten wurde Religionsfreiheit und Befreiung von der Wehrpflicht durch Entschließung der Hofkanzlei zugesichert, welche am 30. Juli 1789 der Regierung von Galizien bekannt gemacht und worin bestimmt wurde:
1. daß sie als Lutheraner angesehen werden sollten, da ihre Sache nicht durch öffentliches Gesetz, sondern nur dadurch stillschweigend zugelassen sei, daß sie unter die Kolonisten aufgenommen wären, ohne aber doch von ihnen zu verlangen, sich einem der geduldeten Bekenntnisse anzuschließen;
2. daß nichts im Wege sei, ihnen die Errichtung einer kleinen Kirche zu gestatten wie andern Nicht-katholiken, sobald ihre Zahl auf die gesetzlich vorgeschriebene Höhe von 100 Familien gekommen sei;
3. daß sie und ihre Nachkommen, solange sie Mennoniten blieben, vom Kriegsdienst frei sein sollten, daß aber ihren Einwanderern keine weitere Aufnahme erteilt, noch gestattet werden solle, daß jemand von den im Land tolerierten Religionen zu ihnen übertrete (Menn. Bl. 1858, S. 51 und 1887, S. 37).
Ein Teil der neuen Ansiedler war durch die politischen Zustände beunruhigt. Auch drohte unter den schon länger ansässigen Einwohnern sich eine Verschwörung gegen die angesiedelten Deutschen zu verbreiten und man befürchtete, daß man später kein Land mehr werde zukaufen können. Daher verkaufte ungefähr die Hälfte, darunter wohl fast alle amischen Familien, die Besitzungen und zogen über die Grenze nach Rußland, wo sich in Wischinka im Gouvernement Tschernigow schon einige huterische Brüder aus Ungarn und Mähren angesiedelt hatten. Doch auch dort wwar ihres Bleibens nicht. Schließlich siedelten sich die Galizier im Gouvernement Wolhynien an. Ihre Nachkommen sind fast alle nach Amerika gezogen.
Den in Galizien zurückgebliebenen Mennoniten ging es gut. Im Jahre 1800 zählten sie (nach den Verzeichnissen der Kirchenbücher) wenigstens 87, wahrscheinlich etwa 100 Seelen in 15 oder 16 Familien. Die zugesagte Wehrfreiheit wurde in der Folgezeit wohl einige Male von Unterbeamten angegriffen, doch jedesmal von der Behörde gewahrt und bestätigt; so namentlich in den Jahren 1812, 1828, 1832 und 1848. Nach der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht wurde der Militärdienst im Jahre 1868 ähnlich geregelt wie in Preußen; die Mennoniten hatten das Recht, ohne Waffe bei der Sanität zu dienen.
Durch Kinderreichtum wuchs die Zahl der Mitglieder; im Jahre 1868 gibt der damalige Prediger Johannes van der Smissen über 80 Familien mit 400 Seelen an. Die amtliche Zählung mit gewöhnlich zu niedrigen Ergebnissen weist in jener Zeit 61 Familien mit 362 Personen auf. Für den jungen Nachwuchs wurden Filialgemeinden gegründet und zwar 1830 Neuhof mit 238 ha, das in 12 Wirtschaften geteilt wurde, 1848 Kiernica mit im ganzen 1300 ha, Horozanna mit 300 ha, 1864 Blyszcywode-Ehrenfeld mit 1000 ha, und weiter noch mehrere Güter, die gewöhnlich einige Familien gemeinsam erwarben und unter sich teilten. Die Filialen bildeten zeitweilig eigene Gemeinden.
Zwischen 1878 und 1883 fand eine neue Auswanderung statt. 75 Familien — es war gerade die Hälfte — zogen damals nach Amerika, zunächst nach den Staaten Minnesota und Kansas. Meistens waren es die Armeren, die auswanderten.
Die Zurückgebliebenen fingen nun an, nicht nur Güter zu kaufen sondern auch zu pachten. Zwischen 1866 und 1870 sind nochmals 4 Familien eingewandert. Nach amtlicher Angabe betrug die Zahl der Mennoniten in Österreich im Jahre 1890: 499 und im Jahre 1910: 497, doch sind die Zahlen höher einzusetzen. Gegenwärtig (1914) wohnen etwa 600 Mennoniten im Lande; von ihnen sind etwa 200 Kinder und 400 getaufte Gemeindeglieder. Sie sind in mehr als 100 Ortschaften zerstreut. Etwa die Hälfte sind Gutspächter und haben ungefähr 15 000 ha Land gepachtet. Die andern sind Gutsbesitzer, Gutsteilbesitzer oder Grund- bzw. Wirtschaftsbesitzer und haben zusammen ungefähr 65 000 ha Besitz. Einige junge Leute haben sich auch städtischen Berufen zugewendet. Über 30 haben die Gymnasial- oder Realschule und etwa ein Dutzend von ihnen die Universität besucht.
Gottesdienst und Schulunterricht wurde nach der Einwanderung zunächst in Privathäusern abgehalten. 1816 wurde von der Gemeinde Einsiedel ein Schulhaus gebaut und darein auch der Gottesdienst verlegt, 1839 die bisherige Schule zu einem Bethaus umgebaut. In den Filialgemeinden findet der Gottesdienst ebenfalls in Predigerhäusern statt; zum Teil wurden auch dort Bethäuser errichtet, so in Neuhof 1865, Kiernica Oktober 1860 (Menn. Bl. 1887, S. 39) und Blyszcywody-Ehrenfeld 1865. Gegenwärtig (1914) bestehen noch der Versammlungshäuser in Einsiedel, Neuhof und Kiernica. Nur ungefähr sechsmal jährlich findet in jedem derselben Predigt-Gottesdienst statt. Im Jahre 1911 wurde in Lemberg, Kochanowskigasse 23, ein Haus gekauft, in dem ein Betsaal, eine Predigerwohnung, eine Gemeindekanzlei und eine Kuratorwohnung eingerichtet sind.
Da in Österreich Standesämter und Ziviltrauungen nicht bestanden, waren die Prediger verpflichtet, genaue Matrikelbücher (Geburts-, Trauung- und Sterbebücher) zu führen. Sie sind staatliche Urkunden. Von der Ansiedlung bis zum Regierungsantritt Kaiser Franz Josefs I. wurden diese Bücher für die Protestanten Österreichs noch von den katholischen Pfarrämtern geführt; doch haben die meisten evangelischen Gemeinden außerdem eigene Bücher angelegt und geführt. Die Bücher der Mennoniten sind wohl um das Jahr 1805 angelegt und seitdem geführt worden. Sie sind der wertvollste Schatz der Gemeindearchive. Seit April 1913 besteht ein eigenes Blatt, das "Mennonitischen Gemeindeblatt für Österreich", das aber im Weltkrieg sein Erscheinen einstellt. (Vgl. die Artikel Lemberg und Kleinpolen.)
H. Pauls
*) Den Kolonisten wurde sowohl Religionsfreiheit, zehnjährige Steuerfreiheit, Befreiung von Frondiensten auf 6 Jahre, als auch Erlaß der Dienstpflicht für sich und ihre ältesten Söhne zugesichert. Den Landleuten wurde, je nachdem sie mehr oder weniger Vieh aus eigenen Mitteln anschaffen konnten, eine größere oder kleinere Strecke Landes (die Mennoniten erhielten ungefähr 18 ha) kostenfrei in Erbpacht auf ewige Zeiten gegeben, dazu die nötige Aussaat (50-100 Malter) und außerdem wurde ihnen eine vollständige Wohnung nebst Stall und Ackergerätschaften zur Verfügung gestellt. Wer ganz unbemittelt war, erhielt das nötige Vieh umsonst (Menn. Bl. 1887, S. 37).
from vol. 2, pp. 636-637
Lemberg (poln. Lwów), Stadt in Polen, mit rund 330 000 Einwohnern, Sitz der Woyewodschaft, welche nach ihr den Namen trägt. Der Name der Stadt stammt von ihrem Gründer, dem ruthenischen Fürsten von Rot-Reußen Leo. Im 15. Jahrhundert hatte Lemberg stark deutsches Gepräge. Im Gemeinderat wurde in deutscher Sprache und auf Grund deutscher Gesetze beratschlagt. Die Erlasse erschienen in deutscher Sprache, Verhandlungen wurden deutsch geführt, in den Kirchen wurde deutsch gepredigt. Im nächsten Jahrhundert trat der Prozeß radikaler Polonisierung ein; Lemberg wurde fortan zum Bollwerk des polnischen nationalen und staatlichen Gedankens. Nach der ersten Teilung Polens im Jahre 1772 kam Lemberg an Österreich. Trotz starker Germanisierungsversuche blieb Lemberg polnisch, obgleich das ruthenische Element sich auch bemerkbar machte.
Lemberg wurde im Jahre 1909 zur Zentrale des galizischen Mennonitentums. An der Kochanowski-Gasse 23 wurde ein einstöckiges Haus gekauft, in dem ein Betsaal, eine Predigerwohnung, eine Gemeindekanzlei und eine Kuratorwohnung eingerichtet wurden. Auch der Geselligkeits-Verein "Mennonit" erhielt hier sein Heim und konnte seine Bücherei hier unterbringen. Im Jahre 1925 wurde ein zweiter Stock aufgebaut und das Schülerheim konnte hier seinen Einzug halten; es wurde bald durch Zuweisung der Räume der ehemaligen Kuratorwohnung erweitert. Das Schülerheim beherbergte im Schuljahre 1935/36 insgesamt 25 Zöglinge (Mädchen und Knaben). Die Oberaufsicht über dasselbe liegt in den Händen des Gemeindevorstandes mit dem Kurator an der Spitze.
In Lemberg erscheint seit 1913 viermal im Jahr die Zeitschrift "Mennonitisches Gemeindeblatt". In der Stadt wohnen (1936) 57 Mennoniten.
Lit.: Peter Bachmann, Mennoniten in Kleinpolen, Lembert 1934.
Th. Rupp.
from vol. 2, p. 508
Klein-Polen, bedeutet so viel wie Jung-Polen im Gegensatz zu Groß-Polen oder Alt-Polen am Goplo-See, an der Netze und Warthe. Ursprünglich umfaßte Klein-Polen nur die 3 Wojewodschaften Krakau, Sendomir und Lublin. Nach der Lubliner Union (1569) bezeichnete Klein-Polen den ganzen Landstrich von der oberen Weichsel bis zum mittleren Dniepr. Bei der ersten Teilung Polens bekam Österreich den Landstrich von der oberen Weichsel bis zum mittleren Dniestr und führte für das erworbene Gebiet die Bezeichnung Galizien (s. d.) ein. Nach der Wiederherstellung der polnischen Republik verschwand der Name Galizien und die Bezeichnung "Klein-Polen" tauchte wieder auf. Die Mennoniten in Klein-Polen verteilen sich auf die Wojewodschaften Krakau, Lemberg, Stanislau und Tarnopol. Am stärksten sind sie in der Lemberger Wojewodschaft vertreten und Lemberg (s. d.) ist ihr kirchlicher Mittelpunkt.
Lit.: Peter Bachmann, Geschichte der Mennoniten in Kleinpolen, Lemberg 1934; Gesch. d. Mennoniten in Kleinpolen, in Paul Zöcklers Monatsschrift für die Deutschen in Polen, Posen 1928.
Th. Rupp.